Willkommen
Aktuelles
Kurzprosa
Einfache Sprache
Maras Baby
Bärenzart
Herzlinien
Die Autorin
Lesungen
Über das Schreiben
Impressum & DSGVO
Sitemap

Maras Baby, Erster Preis im Wettbewerb "Die Kunst der Einfachheit 2015", veröffentlicht in "Die Kunst der Einfachheit", ISBN 978 - 3 - 88617 -552 - 9

 

Maras Baby

 

Mara ist 27. Sie hat lange dunkelbraune Haare. Sie liebt Süßigkeiten und kauft sich gerne welche. Deshalb ist sie ein bisschen dick. Aber das stört sie nicht.

Mara hat einen Freund. Er heißt Dominik und ist so alt wie sie. Sie treffen sich oft. Am Anfang gab es viel Streit mit Maras Eltern. Dominiks Mutter hat mit Maras Eltern gesprochen. Das hat geholfen und jetzt wohnen Mara und Dominik sogar zusammen. Bei Dominiks Mutter in einem Zimmer.

Tagsüber geht Mara in die Werkstatt arbeiten. Dominik hat sogar eine Stelle im Supermarkt. Abends essen sie zusammen. Mara kann gut kochen, das macht sie auch in der Werkstatt.

Noch später, wenn sie schlafen gehen, ist es sehr schön. Mara liebt Dominiks Körper. Sie fasst ihn gerne an. Sie hat keine Angst, wenn er sie anfasst. Er findet sie wunderschön. Das sagt er ihr oft.

Mara kann gut mit Kindern umgehen. Mittags kommen viele Kinder zum Essen in die Werkstatt. Sie machen das Essen für die Hortkinder aus der Schule.

Mara möchte gerne selbst ein Kind haben. Ein ganz kleines, um das sie sich kümmern kann. Sie weiß, dass sie das gut kann. Immer, wenn sie ein Baby sieht, zieht es in ihrem Bauch. Sie geht ganz nah heran und lacht. Dann staunt das Baby sie an. Es reißt die Augen auf und lacht auch. Das will Mara öfter sehen. Manchmal darf sie ein Baby auf den Arm nehmen. Das Baby gehört ihrer Schwester. Mara schaukelt es auf ihrem Schoß. Jedes Mal muss sie das Baby zurück geben. Mara will das nicht mehr. Sie will ein eigenes Baby, das immer bei ihr bleibt.

Dominik ist einverstanden. Er hätte auch gerne eine Mara in ganz klein. Es wird so hübsch wie Du, sagt er. Nein, wie Du, sagt Mara und streichelt Dominiks helle Haare.

Mara versteckt die Pillen, die sie nicht mehr nimmt. Sie steckt sie einfach in den Blumentopf. Die Blume wächst seitdem viel besser, findet sie. Dominiks Mutter fragt nicht nach. Sie verlässt sich auf Mara. Mara weiß, dass sie ein bisschen lügt. Aber das Baby ist wichtiger.

Zuerst ist alles wie immer. Nach ein paar Wochen fragt Dominiks Mutter, warum Mara keine Binden mehr braucht. Mara sagt, sie hat noch welche. Aber das stimmt nicht. Das Bluten hat aufgehört. Mara hat noch mehr Lust auf Süßigkeiten und sie ist jetzt sehr müde manchmal.

Dominiks Mutter macht Streit. Mara, sagt sie, da stimmt doch was nicht. Wir gehen zum Arzt. Mara ist einverstanden. Dominik geht nicht mit. Auf dem Bildschirm beim Arzt kann man einen weißen Punkt sehen. Er blinkt ganz schnell.

„Mara ist schwanger, man kann das Baby schon sehen“, sagt der Arzt. Dominiks Mutter schüttelt den Kopf. Mara guckt und guckt und guckt auf den weißen Fleck auf dem Bildschirm. „Hallo Baby!“ sagt sie. „Sie müssen zur Beratung“, sagt der Arzt. „Noch ist Zeit.“

Sie gehen nach Hause. Als Dominik nach Hause kommt, strahlt Mara ihn an. „Wir bekommen ein Baby“, sagt sie. Dominik jubelt. Dann wird er still, weil seine Mutter am Kühlschrank steht und weint. Sie hat das Telefon in der Hand und ruft Maras Eltern an. „Kommt morgen Abend zu uns, wir müssen etwas besprechen. Es ist wichtig.“ sagt sie.

Am nächsten Abend sind alle da. Mara will von dem Baby erzählen, aber keiner hört zu. Alle sagen Sachen. Mara hört: Das geht doch nicht. Wie konnte das passieren? Wir dachten, Du passt auf, dass sie die Pille nimmt. Was machen wir denn jetzt?

Da sagt Mara: Ihr müsst gar nichts machen. Das ist unser Baby. Wir lieben uns und wir wollen es haben. Wir können das alleine.

Es gibt noch mehr Streit. Mara soll wieder zum Arzt. Sie ist nicht einverstanden. Das Baby soll weg. Aber niemand darf ihr das Baby wegnehmen.

Mara hat eine Idee. Sie erzählt von dem schönen Gefühl, wenn man ein Baby im Arm hält. Und sie sagt: Ihr dürft es alle auch mal halten. Es wird ein ganz süßes Baby. Entweder mit dunklen Haaren, wie ich oder hellen, wie Dominik. Ihr habt mich lieb und ihr habt Dominik lieb. Ihr müsst das Baby auch liebhaben. Sonst bringe ich mich um.

Mara meint es ganz ernst. Jetzt muss sie auch weinen. Das ist oft so. Erst ist sie ganz wütend und dann ganz traurig.

Keiner sagt was. Sogar Maras Vater, der vorher rumgebrüllt hat, ist still.

Dominiks Mutter sagt etwas: Das stimmt, wir haben euch lieb. Wir werden auch das Baby liebhaben. Aber es ist nicht einfach. Wir müssen alle einverstanden sein und alle helfen.

Dann sagt sie zu Maras Mutter: Ich weiß, Du bist nicht begeistert. Aber war es nicht schön, als Mara klein war?

Maras Mutter weint immer noch, aber sie nickt.

Dominiks Mutter sagt jetzt zu Maras Vater: Und Du bist doch gut im Anträge schreiben. Da gibt es doch Möglichkeiten. Und ich kann weniger arbeiten und habe dann mehr Zeit.

Maras Mutter fragt: Aber willst Du das wirklich machen?

Ja, sagt Dominiks Mutter. Man muss eben das tun, was dran ist. Und jetzt ist eben ein Baby dran. Ich will mich auf das Baby freuen.

Mara lächelt. Sie kann das Baby in ihrem Bauch fühlen. Es bewegt sich noch nicht, aber sie spürt, dass es da ist.

Die nächsten Monate sind anstrengend. Mara wird immer dicker. Viel zu dick, sagt der Arzt. Aber Mara will gut für das Baby sorgen. Also isst sie sehr viel. Dominik findet sie immer noch schön. Abends sprechen sie mit dem Baby im Bauch. Es kann sie schon hören, sagt der Arzt.

Als das Baby geboren werden will, fährt Mara ins Krankenhaus. Es tut sehr weh und Mara will, dass es aufhört. Aber Dominiks Mutter ist dabei und streichelt sie. So ist das, sagt sie. Es tut weh, ein Baby zu bekommen. Aber das muss so sein und gleich hast Du es geschafft.

Mara brüllt und drückt und schiebt und dann ist das Baby da. Es liegt klein und nackt auf ihrem Bauch. Es sieht überhaupt nicht so aus, wie ein richtiges Baby. Es ist nackt und hat viele Falten. Es schreit. Mara kann sich nicht gut bewegen. Sie ist froh, als das Baby von ihr runter ist. Es wird angezogen und Mara muss noch liegen bleiben.

Als die Krankenschwester das Baby wieder bringt, staunt Mara. Das Baby sieht so niedlich aus. Es hat dunkle Haare wie Mara, aber es ist ein Junge, wie Dominik. Die Krankenschwester zeigt Mara, wie das Baby an ihrer Brust trinken kann. Es ist ganz schön schwierig. Mara braucht Hilfe dabei. Sie hört das Baby schmatzen und dann schläft es ein. Mara ist auch müde. Aber sie kann so nicht gut schlafen. Sie ist noch aufgeregt.

Es ist gut im Krankenhaus. Immer ist jemand da zum Helfen. Maras Eltern kommen zu Besuch. Sie lieben das Baby. Maras Mutter trägt es herum. Mara wird eifersüchtig. Das ist ihr Baby!

Als Mara nach Hause kommt, ist sie müde. Sie gibt das Baby Dominiks Mutter und geht ins Bett. Sie ist gerade eingeschlafen, da schreit das Baby. Es will an der Brust trinken, sagt Dominiks Mutter. Mara hat keine Lust dazu. Sie will jetzt schlafen. Das Baby braucht aber Milch, sagt Dominiks Mutter. Also stillt Mara das Baby. Es tut weh. Die Brust ist schon ganz wund. Es gibt Streit.

Am nächsten Tag kommt die Hebamme. Sie beschließen, dass das Baby Milch aus einer Flasche bekommt. Mara bekommt Tabletten für die Brust. Dominiks Mutter geht Milch einkaufen. Mara ist alleine mit dem Baby. Mara ist müde. Das Baby weckt sie nachts oft auf. Dominik war davon genervt. Deshalb hat er auf dem Sofa geschlafen. Und Mara musste mit dem Baby aufstehen und es herumtragen.

Das Baby kann ganz schön laut schreien. Es sieht zornig aus. So wie Maras Vater, wenn er sehr wütend ist. Mara weint jetzt auch. Sie geht weg von dem Geschrei. Sie geht auf´s Klo und schließt die Tür ab. Sie hört das Schreien immer noch. Dominiks Mutter ist noch in der Arbeit. Die Trinkflaschen für das Baby stehen in der Küche. Mara macht eine warm. Aber das Baby will nicht trinken. Es will überhaupt nichts. Nur schreien. Mara guckt auf den Zettel von der Hebamme. Sie hat eine Flasche, eine Windel und ein Herz gemalt. Damit Mara sich an die drei Sachen erinnert, die wichtig sind: Trinken, wickeln und liebhaben. Trinken und liebhaben war nicht das Richtige, also Wickeln.

Mara kann das gut. Sie spricht mit dem Baby, das immer noch schreit. So, sagt sie, hier habe ich alles: Feuchte Tücher, eine frische Windel und einen sauberen Anzug.

Mara zieht das Baby aus. Saubermachen kann sie gut. Sie wischt dem Baby das Kacki vom Popo. Es stinkt gar nicht, findet sie. Das Baby wird ruhig. Es guckt Mara an. Es lächelt sogar. Dann fängt es an zu pinkeln, obwohl es noch keine neue Windel anhat. Mara muss lachen. Obwohl sie so müde ist. Das Baby streckt sich. Es ist auch müde. Mara zieht die frische Windel an und eine kleine Hose. Sie nimmt das Baby auf den Arm. Es macht den Mund auf. Mara versucht es nochmal mit der Flasche. Das Baby trinkt und dann schläft es ein. Mara sitzt mit dem Baby auf dem Sofa. Es ist leise und gemütlich. Sie schläft auch ein bisschen.

Als Dominiks Mutter von der Arbeit kommt, räumt sie alles auf. Sie schickt Mara mit dem Baby spazieren. Mara holt Dominik vom Supermarkt ab. Er freut sich. Sie gehen zusammen nach Hause. Als es Abend ist, weint das Baby wieder.

So ist das eben, sagt Dominiks Mutter. Wechselt euch ab mit dem Tragen. Vater und Mutter müssen sich abwechseln. Und ich helfe euch. Ich nehme das Baby die nächste Stunde und ihr könnt euch hinlegen.

Mara und Dominik liegen im Bett und kuscheln. Das Baby ist bei Dominiks Mutter. „Du fehlst mir“, sagt Mara, „den ganzen Tag bist Du nicht da und ich bin mit dem Baby allein“. „So ist das eben“, sagt Dominik, „ich muss doch Geld verdienen für Dich und das Baby“. Das versteht Mara. Trotzdem ist sie traurig. „Willst Du mit mir schlafen?“ fragt Dominik. Aber Mara hat keine Lust dazu. Jetzt ist Dominik sauer. Er hat schon lange darauf gewartet.

So vergehen die Tage. Mara ist jeden Tag müde, aber sie schafft es mit dem Baby. Sie haben eine Geheimsprache. Mara weiß immer schneller, was das Baby braucht. Sie muss gar nicht mehr auf den Zettel sehen. Dominiks Mutter hat Maras Eltern angerufen, weil sie so erledigt war. Jetzt kommt jeden Tag jemand vorbei. Maras Mutter oft am Vormittag, Maras Vater manchmal abends, Maras Schwester mit ihrem Kind meist nachmittags. Die restliche Zeit ist Dominiks Mutter da.

Mara hat manchmal keine Lust auf das Baby. Sie will auch wieder alleine sein. Aber das geht nicht mehr. Wer ein Baby hat, hat es für immer. Dafür sieht es jetzt genau so aus, wie Mara es sich vorgestellt hat. Es ist dicker und größer geworden, es kann lachen und glucksen und Spuckeblasen machen. Und wenn es Mara sieht, dann strahlt es.

Mara ist müde. Mara ist glücklich. Mara ist eine ganz normale Mutter.